Trotzdem

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Trotzdem

In "normalen" Jahren drängeln sich in den engen Gassen der Altstadt Jerusalems um diese Jahreszeit die Gläubigen der drei großen Schriftreligionen: die Christen auf der via dolorosa, von denen mancher Holzkreuz und Dornenkrone vom Garten Gethsemane zur Grabeskirche trägt. Muslime kreuzen den Weg, um während des Ramadan zum Gebet zur Al-Aqsa Moschee auf dem Tempelberg zu kommen und die Kinder freuen sich schon auf das große Fastenbrechen, das Zuckerfest. Juden aller Frömmigkeitsgruppen laufen mit Hut und Gebetsmantel in Richtung Klagemauer, denn es ist Purim und bald Pessach, das große Fest des Gedenkens der Befreiung aus der Sklaverei. Und überall dazwischen: schwer bewaffnete Soldaten und Polizei, die darauf achten, dass alles friedlich bleibt und keine fanatischen Spinner Unsinn machen... 

In diesem Jahr ist es dagegen ziemlich ruhig in den Gassen - sogar gespenstisch ruhig. An machen Tagen singt nicht einmal der Muezzin, wie uns Freunde berichten. Die Zeiten sind nicht "normal". 

Trotzdem laden die Jerusalemer Christen auch in diesem Jahr am Ostermontag zum Gang von Jerusalem nach Emmaus ein. Obwohl noch nicht klar ist, ob sie auf der 30 km langen Strecke durch alle Checkpoints gelassen werden oder womöglich irgendwo wieder umkehren müssen. 

"Trotzdem"... das ist das große, trotzige Wort der Christen in dieser wirren Zeit. 

Trotzdem feiern wir Ostern, Auferstehung, den Sieg des Lebens über den Tod, gegen allen Augenschein und gegen alle Vernunft. Denn vernünftig ist es nicht, an die Auferstehung zu glauben. Es ist sogar ziemlich verrückt. Und wenn man sich die biblischen Berichte von diesem Ereignis genau ansieht, wird es noch verrückter, denn alle berichten etwas Verschiedenes. Und am äußeren Erscheinungsbild wurde der Auferstandene nie erkannt - er sah immer anders aus: ein Unbekannter auf dem Weg nach Emmaus, ein Gärtner am Grab.

Trotzdem gab und gibt es seit dem ersten Ostertag Menschen, die sich von diesem verrückten Ereignis bewegen ließen und lassen und das Unmögliche versuchen. Man muss dabei gar nicht an die Großen denken, wie Mutter Theresa, Martin Luther King oder Dietrich Bonhoeffer.  Auch die vielen kleinen, meist ehrenamtlichen "Verrücktheiten" und "Trotzdems": Den Flüchtlingen versuchen Deutsch beizubringen und dabei nicht aufzugeben - denn das ist mitunter richtig mühsam - vor allem, wenn man auch noch "verfeindete" Nationalitäten zusammen am Tisch sitzen hat. Oder bei den Türöffnern mitzuarbeiten und Menschen zu unterstützen, oder ihnen einfach nur Gesellschaft zu leisten. Oder ein großes Mittagessen für alle im Gemeindehaus zu kochen. Oder an der Vision einer friedlichen und gerechten Welt fest zu halten, und die mikrokleinen Schritte dorthin zu tun. Alles verrückt - vor allem, wenn man fragen würde "Was bringt das?". Es bringt nichts - aber es macht was. Trotzdem. Es macht was mit mir: Ich gebe nicht klein bei, gebe nicht auf, lassen dem Tod nicht das letzte Wort, halte fest an dem großen "Trotzdem" der Hoffnung und des Glaubens, dass das Leben siegt! In Jerusalem und überall sonst auf der Welt.

Frohe Ostern! 

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