Fragmente aus Israel

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# Ev.Erwachsenenbildung

Fragmente aus Israel

 "Gut, dass ihr heil wieder da seid!" So begrüßen uns dieser Tage viele Überlinger. Und ja, wie gut. Wie gut, dass wir das Land, in dem der Krieg tobt, einfach so verlassen konnten. Dass wir Visa und Flugtickets bekommen haben und durch Passkontrollen und Security Checks unbehelligt durchkamen. "Where do you come from? Ah, Germany? That’s good..." Und wir wurden durchgewunken... Und wie gut, dass wir hier ein Zuhause haben, Arbeit und liebe Menschen um uns herum und so etwas seltenes wie ein Gefühl großer Sicherheit. 

All dies ist keine Selbstverständlichkeit - nicht einmal für die anderen Deutschen, die auch ausreisen mussten: Wie die Lehrerfamilie aus Jerusalem mit den beiden kleinen Kindern, die erstmal hier keine Wohnung hat und eigentlich auch keine Arbeit, oder der Kantor der Erlöserkirche. Von der befreundeten palästinensischen Familie in Beit Jala nicht zu reden... 

Leben in Sicherheit! Das ist - so empfinde ich es - das erste große Bedürfnis der Menschen im Heiligen Land. Erst danach kommen die Fragen nach z.B. Gerechtigkeit, Klimaschutz usw... 

Als Deutsche in Frieden und Sicherheit aufgewachsen, muss ich mir das erst einmal bewußt machen, wie kostbar das ist: Sicherheit! Wenn ich auf die Strasse gehe, kommt niemand um die Ecke mit dem Messer auf mich zu oder schießt einfach mit Raketen, die mein Haus in die Luft jagen. Hier sagt niemand "wir treiben alle Christen in die Nordsee!" und würde es, wenn wir einen Moment unachtsam oder wehrlos wären, auch tatsächlich tun. So aber - so haben wir es wahrgenommen - ist die Realität in Israel. In Israel, in unmittelbarer Nachbarschaft auch zu fundamentalistischen Regimes, die Israel vernichten wollen, scheint Sicherheit nur durch Stärke, durch massive Abschreckung gewährleistet werden zu können. Dass selbst das nicht zu 100% gelingt, hat man in Israel bei den islamistischen Terrorangriffen am 7.Oktober erleben müssen. 

Viele Israelis haben im letzten Jahr jeden Samstag Abend gegen die amtierende Regierung demonstriert, weil sie die demokratischen Strukturen, auf die sie stolz sind, ernstlich in Gefahr sehen. Und das stimmt leider: Vor allem seit den letzten Wahlen haben rechtsnationale und religiös-fundamentalistische Parteien (Siedler und Ultraorthodoxe) sehr viel Einfluss und Gewicht bekommen. Und vielen von  ihnen liegt nichts an einer pluralistischen Demokratie. Ihr Ziel ist ein jüdischer Staat in den biblischen Grenzen - also mit „Judäa“ und „Samaria" (wie sie das Westjordanland nennen). Dazu noch der „dritte Tempel“ dort, wo heute Felsendom und al-aqsa-Moschee stehen. Dass es in so einem Staat keine Muslime geben könnte, ist klar. 

Genauso fundamentalis-tisch erheben die Hamas (und andere islamistische Gruppen) Anspruch auf das ganze Palästina. Es gilt ihnen als „Waqf" - heiliges, den Muslimen von Gott anvertrautes Land, das nicht in den Händen der Ungläubigen sein darf. Diese (zu denen für manche auch die Christen gehören!) gehören umgebracht oder zumindest vertrieben. Fundamentalismus zeigt hier seine böse Fratze. Wie soll da Frieden werden? 

Mich mahnt dies, dass unsere Demokratie und unser Leben in Freiheit und Sicherheit ein wertvolles Gut ist, das wir bewahren und beschützen müssen. Demokratie, Freiheit und Menschenrechte passieren nicht von allein. Diese Werte müssen gegen Fanatismus und Fundamentalismus verteidigt werden. Und das fängt in den Köpfen an. In den Diskussionen und Gesprächen. Den Köpfen der Kinder und Jugendlichen in den Schulen, den Köpfen der Erwachsenen, Einheimischen und Zugereisten. 

Die meisten Menschen in Israel und Palästina möchten einfach nur in Ruhe und Frieden leben, möchten ihre Kinder groß ziehen, arbeiten und für die Familie da sein. So wie Ramiz in Beit Jala und Yael in Tel Aviv. Sie wollen keinen Krieg, hätten gerne Frieden. Es gibt unzählige kleinere und größere Friedensprojekte, arabisch-israelische Schulen und vieles mehr. All das wird gerade mit jeder Rakete aus Gaza, mit jeder Geisel, die nicht freigelassen wird, und mit jedem Opfer im Gazastreifen, mit jedem flüchtenden Kind zunichte gemacht. Trauma häuft sich auf Trauma ... auf beiden Seiten, wie soll das je wieder heilen? 

Ich bin ratlos. Eigentlich kann man nur noch miteinander weinen. Und darum beten, dass eines Tages alle Menschen zwischen Mittelmeer und Jordan miteinander weinen und trauern um all das Leid, das sie tragen. Das Gebet der Mütter https://tinyurl.com/Gebet-der-Muetter von Yael Deckelbaum und die gemeinsamen israelisch-palästinensischen Friedensdemonstrationen von Frauen https://tinyurl.com/aufruf-der-muetter sind so ein Hoffnungszeichen ...Wir beten mit! 

Wo bist du, Gott des Friedens, in unserer aus den Fugen geratenen Welt, wo bist du, Gott des Erbarmens, wenn Terror an so vielen Orten gefeiert wird, wo, Gott, bist du bei all dem Sterben?

Wir bitten dich, zeig dich überall da, wo Menschen nach deiner Hilfe schreien, stopf denen den Mund, die deinen Namen für ihre Mordlust missbrauchen, und erbarme dich derer, die den Glauben an dich verloren haben, weil du so fern und gleichgültig scheinst!

Gott, wir klammern uns an dich mit unseren Ängsten, mit unserer Empörung und mit unserer Trauer um so viel zerstörtes Leben: Wir bitten dich für die Geiseln der Hamas, bring sie zurück zu ihren Familien und Freunden und steh denen bei, die jetzt um sie bangen. Schütze die Zivilisten in Gaza, die die Hamas auch als Geiseln hält. Stell den bedrohten Kindern in allen Kriegsgebieten einen Engel zur Seite, der ihnen Leib und Seele schützt. Gott stärke alle, die den Hassparolen widerstehen und auch jetzt für Frieden und Versöhnung arbeiten.

Gott, wir wissen nicht, wohin mit den vielen Sorgen um die Zukunft unserer Erde, wenn nicht zu dir. Bewahre uns vor Resignation und erhalte uns trotz allem die Zuversicht, dass du uns nicht aufgibst, obwohl auch du unendlich leidest an dem Unheil, das wir Menschen anrichten. Du Gott des Friedens und des Erbarmens, wir bitten dich: Zeig dich mit deiner heilenden Kraft und mach uns zu Verbündeten deines Willens.

von Sylvia Bukowski

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